Mehr als fünf Sinne

Sri Lanka Rekawa Strand in der Abenddämmerung / Rekawa Beach at dusk, Sri Lanka

Intuition, Gleichgewicht und Körpergefühl

Wenn wir über unsere Wahrnehmung sprechen, denken wir meist an die klassischen fünf Sinne: Sehen, Hören, Riechen, Schmecken und Tasten. Doch der Mensch verfügt über weitere, oft übersehene Fähigkeiten, die unser Erleben der Welt prägen.

Der Gleichgewichtssinn (Vestibularsinn) sorgt dafür, dass wir uns sicher im Raum bewegen können. Er steuert Orientierung, Haltung und Bewegung – eine ständige, unbewusste Grundlage unseres Handelns. Ohne ihn könnten wir weder gehen noch laufen oder auch nur aufrecht sitzen. Unterstützt wird er dabei durch das Zusammenspiel von Innenohr, Augen und Tastsinn: Sie liefern zusätzliche Informationen, die uns helfen, in Balance zu bleiben.

Der Tiefensinn (Propriozeption) geht einen Schritt weiter: Er vermittelt uns das Wissen um die Lage unseres Körpers, auch ohne hinzusehen. Jede Geste, jeder Schritt, jede feine Bewegung basiert auf dieser „inneren Landkarte“. Unzählige Sinneszellen in Muskeln, Sehnen und Gelenken senden dem Gehirn kontinuierlich Informationen über Bewegung und Position unserer Körperteile. So wissen wir auch im Dunkeln, ob wir liegen, sitzen oder stehen, wo oben und unten ist.

Darüber hinaus existiert der geheimnisvolle sechste Sinn. Gemeint sind damit subtile Formen der Wahrnehmung: Intuition, Bauchgefühl, Vorahnungen. Dieses leise Spüren entzieht sich klarer Messbarkeit, ist aber für viele Menschen eine ebenso reale Erfahrung wie Sehen oder Hören.

So zeigt sich, dass unsere Wahrnehmung weit vielschichtiger ist, als es die klassischen Kategorien vermuten lassen. Sie ist ein Zusammenspiel aus bewussten und unbewussten Eindrücken, aus messbaren Sinneskanälen und schwer fassbaren inneren Ahnungen – und genau darin liegt ihre Faszination.

Übrigens: Unsere Sinne funktionieren am besten, wenn wir sie trainieren – ähnlich wie Muskeln, die durch regelmäßiges Üben stärker und geschickter werden. Im Alltag kleben unsere Augen fast ununterbrochen an Bildschirmen, während unser Körper kaum bewegt wird und die anderen Sinne weitgehend ungenutzt bleiben. Ohne bewusste Aufmerksamkeit verkümmern unsere Wahrnehmungsfähigkeiten.

Wir geben immer mehr unserer eigenen Sinne und Fähigkeiten ab – unseren Orientierungssinn an Navigations-Apps, unsere eigenen Erfahrungen an Medien-Informationen, unser Körpergefühl an Gesundheits- und Sport-Apps. So werden wir abhängig von digitalen Geräten und Maschinen, die zunehmend kognitive und sensorische Prozesse für uns übernehmen. Wer die Sinne nicht nutzt und fordert, ist stärker auf digitale Hilfsmittel angewiesen, was die Sinnesfähigkeiten weiter schwächt – ein sich selbst verstärkender Teufelskreis.

Sicher hast du schon einmal die Erfahrung gemacht:

Du stehst vor einem wunderschönen Sonnenuntergang. Die Farben am Himmel verändern sich sanft, leuchten in immer neuen Nuancen – Glutrot, Orange, Violett. Aus der Ferne hörst du das Zwitschern von Vögeln, ihre schwarzen Silhouetten zeichnen sich vor dem Farbenspiel ab. Du spürst die letzte Wärme des Tages auf deiner Haut, atmest die abendliche Luft – und greifst, bewegt von der Schönheit des Moments, zum Handy, um ein Foto zu machen. Später willst du dich daran erfreuen, es vielleicht anderen zeigen.

Doch was bleibt auf diesem Bild von dem, was du wirklich erlebt hast?
Nicht viel mehr als die Idee dessen, was sich vor und in dir abgespielt hat.

Der Mensch ist ein vielschichtiges Wesen. Er nimmt ununterbrochen und hyperkomplex wahr – nicht nur mit den Sinnen, sondern auch mit dem Unterbewusstsein, das ständig Informationen verarbeitet, ohne dass du es bemerkst.

Digitale Medien können diese Fülle nicht erfassen. Sie reduzieren die Wirklichkeit, filtern sie, zeigen nur Teilaspekte – niemals das Ganze. Was bleibt, ist ein Ausschnitt, ein Schatten dessen, was einmal war. Selbst virtuelle Realitäten sind letztlich nur ein künstliches Modell – ein technisches Konstrukt einer Welt, die unendlich reicher und tiefer ist, als jedes Medium sie je zeigen könnte.

Deshalb dienen die Texte auf Reisinn vor allem als Inspiration:

Hinaus ins Freie – um mit allen Sinnen zu erleben und sie zu schärfen. Nicht mehr nur schnell dokumentieren und weiterziehen nach dem Motto: „Ich hab’s ja auf dem Foto.“ Ein Trugschluss, wie wir nun wissen.

Nimm den Moment bewusst wahr und halte inne, damit die Einmaligkeit dessen, was du siehst, tief in dir nachklingt.

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