
Mit dem Geschmackssinn reisen
Auf unseren Reisen fragen wir die Einwohner oft nach landestypischen Gerichten und Zutaten sowie nach ihrer Art und Weise, Mahlzeiten zuzubereiten und zu würzen, um sie wenigstens einmal zu probieren und authentisches Essen zu erleben. Gerne gehen wir dorthin, wo auch die Einheimischen essen. Unter Menschen in einer friedvollen Stimmung zu speisen, in einer Umgebung, wo Essen eine kulturelle und gesellschaftliche Bedeutung hat, erfreut uns immer besonders.
Wenn in einigen Ländern besonders viel Wert auf die Ernährung und den Geschmack gelegt wird, um das Gleichgewicht im Körper und damit die Gesundheit zu fördern, können wir wertvolle Erkenntnisse für unser eigenes Wohlbefinden gewinnen.
Das Wissen vom Leben wird insbesondere in der indischen Heilkunst des Ayurveda gelehrt, die auch in Sri Lanka seit über 2000 Jahren zur Anwendung kommt. Die traditionellen ayurvedischen Heilkundigen oder Ärzte im indischen und sri-lankischen Kulturraum heißen Vaidyas. Uns gefällt der Gedanke, dass es Vaidyas gibt, die nur bezahlt werden, wenn die Patienten gesund bleiben.

Im Ayurveda wird Essen mit Genuss assoziiert. Es wird großer Wert auf naturbelassene und frische Nahrung gelegt, die direkt nach der Zubereitung verzehrt werden sollte. Wir haben gelernt, dass man selbst Obst würzen kann (beispielsweise mit Ingwer, Pfeffer, Kardamom, Zimt oder Zitronensaft) und die Lebensmittel in ihrer Gänze verwenden sollte (also auch die Blätter, Samen und Wurzeln, sofern essbar). Ganzheitliche und ausgewogene Mahlzeiten, bei deren Zubereitung alle Geschmacksrichtungen (Rasas) wie süß, sauer, salzig, scharf, bitter und herb genutzt werden, versorgen uns mit langanhaltender Energie, schenken uns Lebenskraft, Gesundheit und Heilung. Es sind wahre Lebensmittel, die kulinarische Sinnesfreuden bieten.
Sehen und Schmecken sind eng miteinander verbunden. Oft beginnt der Genuss bereits mit dem ersten Blick auf den Reichtum, den uns Natur und landestypische Küche offenbaren. Auf den farbenfrohen Märkten und in den aromareichen Gärten Sri Lankas entdeckten wir eine beeindruckende Vielfalt an Obst- und Gemüsesorten sowie an Kräutern und Gewürzen. Allein bei den Kräutern kommen über 100 verschiedene Arten zum Einsatz. Diese Eindrücke lieferten uns zahlreiche Inspirationen für schmackhafte Gerichte und weckten unsere Neugier: Wir wollten all das unbedingt auch mit dem Gaumen erleben.

Umso überraschender war es, dass sich diese Fülle in den Speisen der Gasthäuser wenig widerspiegelte. Das Essen war meistens lecker, doch gab es in den unzähligen Restaurants üblicherweise gleiche oder ähnliche Speisekarten, vor allem in den touristisch geprägten Gebieten kaum geschmackliche Abwechslung. Wir hatten den Eindruck, dass nur geringe Mengen an Kräutern und Gewürzen verwendet wurden, dafür viel Reis, teilweise sogar Pommes, und dass eher schnell gekocht werden musste. Dementsprechend hatten wir nur gelegentlich besondere Geschmackserlebnisse. Das Essen war oft pikant bis scharf, aber wenig raffiniert. Es schien, als würde man sich am Geschmack und den preislichen Erwartungen der Touristen orientieren. Eine Ayurveda-Kräuterfrau, die wir im Gewürzgarten trafen, bestätigte diesen Eindruck.
Nur vereinzelt fanden wir Orte, an denen wirklich mit allen Rasas, den sechs Geschmacksrichtungen des Ayurveda, gekocht wurde. Einer davon: ein kleines Resort in Negombo, das uns mit seiner Küche begeisterte. Dort schmeckte man: Hier wird gekocht, um zu nähren, nicht nur zu sättigen. Kulinarische Entdeckungen waren für uns auch das Cafe Fresco in Tangalle und The Local in Unawatuna.
Besonders gerne hätten wir Lotoswurzeln probiert, weil wir sie noch nie gegessen haben, und grüne Kräuter-Salate wie Mallung oder Gotu Kola (Centella asiatica). Erst am letzten Tag unserer mehrwöchigen Reise hatten wir das Glück, ein Curry aus Bananenblüten zu kosten. Es schmeckte wunderbar bitter und ergänzte auf hervorragende Weise die anderen, eher süßen Currys, beispielsweise aus Kürbis, Karotte oder Rote Beete. Wahrscheinlich wird es aufgrund des recht bitteren Geschmacks kaum Besuchern angeboten, was wir sehr schade finden. Weitere tolle Currys bestanden aus Pilzen (die Hauptsaison im Süden ist im April/Mai), Rettich, Schlangen-Gurke, Aubergine, Bohnen oder aus einer bunten Vielfalt an Zutaten. Wir haben uns immer gefreut, wenn zahlreiche aromatische Gewürze und Kräuter oder auch mal anderes Gemüse zum Einsatz kamen, und besonders, wenn es fermentierte Beilagen (engl. pickles) oder selbstgemachte Chutneys gab. Die Pickles aus Zitronen oder Limetten, die wir einmal probieren durften, waren mit kaum etwas zu vergleichen, was wir jemals gegessen hatten. Im ersten Moment konnten wir den Geschmack kaum beschreiben, so anders war er!
Unsere Reisen haben uns gezeigt, welche Vielfalt an Früchten, Gemüse, Gewürzen, Kräutern, Zubereitungsarten und Gerichten es auf der Welt gibt, die uns unterwegs Kraft schenken und auch zuhause bereichern können. Es müssen keine exotischen, noch weniger teure Zutaten sein, um eine besondere Gaumenfreude zu erfahren. Manchmal reichen auch nur wenige, hochwertige Zutaten aus, wie beim Brot. Wie herrlich schmeckt eine Scheibe selbst gebackenen Brotes mit Butter!
Auch wenn wir nicht überall die erhoffte kulinarische Abwechslung gefunden haben, vor allem dort, wo Anpassung statt Vielfalt vorherrschte, die Gewürze reduziert und Speisen „touristenfreundlich“ vereinfacht wurden, erhielten wir wertvolle Anregungen und erinnerten uns an fast vergessene Grundsätze. Dazu gehört, auf die Qualität und Frische der Lebensmittel zu achten, möglichst viele verschiedene Zutaten zu verwenden und die Gerichte sorgfältig zuzubereiten.

Möglichkeiten, in den Genuss verschiedenster Lebensmittel zu kommen, sind:
- Selbst einkaufen und die Speisen zubereiten
- Kochkurse vor Ort besuchen
- Einheimische um eine authentische Zubereitung bitten – so, wie sie auch für sich selbst kochen würden
Ob unterwegs oder im eigenen Alltag: Wer die Natur vor Ort mit offenen Augen entdeckt, findet oft überraschende kulinarische Schätze direkt vor der Haustür. Viele essbare Pflanzen, darunter Kräuter, Nüsse, Samen und Früchte sind – oftmals unscheinbar und vielen Menschen unbekannt – draußen und öffentlich zugänglich zu finden, köstlich und kostenfrei, unverarbeitet und nährstoffreich, frischer und vitaminreicher als in jedem Supermarkt.
Schreibe einen Kommentar