





Tierwelt auf Sardinien

Delfine
Zu unserer großen Überraschung schwammen vor der Küste bei Bari Sardo Delfine an uns vorbei – ein unverhofftes Geschenk der Natur, zumal wir in dieser Gegend überhaupt nicht mit ihnen gerechnet hatten! Es war ohnehin ein unvergesslicher Moment: Sonnenaufgang, menschenleerer Strand, keine Boote, nur wir, das Meer, die Erde und der Himmel. Und dann – plötzlich – die erste Rückenflosse, genau im Strahl der aufgehenden Sonne.
Es gehört definitiv zu den besonderen Erlebnissen, Delfine in freier Wildbahn zu beobachten: ihr elegantes Auftauchen, die spielerischen Sprünge und das Gefühl grenzenloser Freiheit bleiben für immer in Erinnerung.
Besonders der Große Tümmler (Tursiops truncatus) ist hier heimisch und lässt sich mit etwas Glück das ganze Jahr über sichten. In den klaren, tiefblauen Gewässern rund um die Insel finden die Meeressäuger ideale Bedingungen: reichlich Fisch, geschützte Buchten und vergleichsweise sauberes Wasser. Neben dem Großen Tümmler können auch Gemeine Delfine (Delphinus delphis) und gelegentlich Streifendelfine (Stenella coeruleoalba) gesichtet werden.
Esel
Esel, bekannt für ihre Ruhe und Geduld, gehören seit Jahrhunderten zum Bild Sardiniens. Sie wurden vor allem als Arbeitstiere in Landwirtschaft und Transport geschätzt, vor allem in den bergigen Regionen, wo Straßen oft zu steil oder zu schmal für Wagen waren. Noch heute prägen sie das Landschaftsbild vieler ländlicher Gegenden.
Besonders faszinierend und selten sind die weißen Esel, bekannt als Asinara Esel oder Asino dell’Asinara. Diese Tiere zeichnen sich durch ihr weißes Fell und ihre blauen Augen aus, eine genetische Besonderheit, die sie von anderen Eselarten unterscheidet. Ihre Population ist auf die Insel Asinara im Nordwesten Sardiniens beschränkt, wo sie in freier Wildbahn leben. Die Insel ist ein Nationalpark und steht unter strengen Naturschutzbestimmungen, wodurch die weißen Esel geschützt sind. Doch auch auf dem Festland, etwa am Fluss Rio Bau Samu in der Nähe von Bari Sardo, kann man vereinzelt weiße Esel sehen – meist hinter Zäunen auf landwirtschaftlichen Höfen.
Weiße Esel gelten nicht nur als besonders schön, sondern werden in einigen Gemeinden auch als kulturelles Erbe gepflegt. Ihr Auftreten zeugt von der jahrhundertelangen Zuchttradition auf der Insel.
Die genaue Herkunft der Asinara Esel ist nicht eindeutig geklärt. Vermutet wird, dass sie Anfang des 20. Jahrhunderts vom Herzog von Asinara aus Ägypten auf die Insel gebracht wurden. Heute leben etwa 120 dieser Tiere auf Sardinien.


Heuschrecken und Grillen
Wer im Sommer durch Sardiniens Wiesen und Hügel streift, wird unweigerlich auf ein stetiges Zirpen aufmerksam. Hinter diesem sommerlichen Konzert verbergen sich neben Zikaden zwei weitere Gruppen von Insekten: Heuschrecken und Grillen. Sie machen die Landschaft durch ihre Geräusche erst richtig lebendig.
Heuschrecken (2-8 cm groß) sind wie die Zikaden tagsüber aktiv und springen blitzschnell durchs Gras, wenn man sich nähert. Manche Heuschreckenarten können bis zu 20 Meter weit springen. Mit ihren kräftigen Hinterbeinen und den meist grünen, braunen oder gesprenkelten Körpern sind sie perfekt an das Leben in den trockenen, sonnigen Landschaften Sardiniens angepasst. Ihr Zirpen entsteht durch das Reiben der Hinterbeine an den Vorderflügeln – ein rhythmisches, leicht kratziges Summen. Sie erzeugen die Geräusche hauptsächlich zur Fortpflanzung, also um Weibchen anzulocken, aber auch, um Rivalen oder Fressfeinde abzuschrecken.
Grillen (1,5-3 cm groß) dagegen sind abends oder nachts aktiv. Sie klingen oft erstaunlich laut, obwohl sie nur wenige Zentimeter groß sind. Ihr gleichmäßiges, melodisches Trillern stammt von den vorderseitigen Flügeln, die die Männchen gegeneinander reiben, um – wie bei den Heuschrecken – Weibchen auf sich aufmerksam zu machen.
Grillen sind kleiner, dunkler und weniger springfreudig als Heuschrecken. Sie verstecken sich tagsüber an kühlen, geschützten Plätzen wie Erd- oder Laubverstecken, unter Steinen oder Rinde, und bleiben so unentdeckt, bis sie in der Dämmerung herauskommen. Im Gegensatz dazu sind Heuschrecken tagsüber sichtbar auf Wiesen und Feldern unterwegs.
Beide Insektengruppen sind, sofern ihre Populationen im natürlichen Gleichgewicht bleiben, ein unverzichtbarer Teil der sardischen Natur und dienen vielen Tieren als Nahrungsquelle, darunter Vögeln, Echsen, Fröschen und kleinen Säugetieren. Auch Spinnen und andere räuberische Insekten fangen Heuschrecken und Grillen, wenn sie klein genug sind.
Krabben
Sardinien ist bekannt für seine traumhaften Strände und das glasklare Wasser, doch hinter den Kulissen der Lagunen verbirgt sich eine faszinierende Tierwelt. Es lohnt sich, sie einmal genauer anzuschauen. Besonders die Krabbenarten, die in diesen ruhigen Küstengewässern leben, verdienen unsere Aufmerksamkeit.
Lagunen wie der Stagno Petrosu bei Orosei bieten Krabben ideale Lebensbedingungen: seichtes Wasser, schlammige oder sandige Böden und ein reiches Nahrungsangebot. Hier findet man diese kleinen, flink krabbelnden Bewohner oft am Ufer. Manche Arten graben sich Tunnel in den Boden, andere verstecken sich geschickt zwischen Steinen und Pflanzen, um Fressfeinden wie Reihern und Möwen zu entkommen.
Interessant ist, wie Krabben das Ökosystem der Lagune beeinflussen, indem sie den Boden auf natürliche Weise verbessern:
Krabben graben im Schlamm oder Sand und ernähren sich von organischem Material wie abgestorbenen Pflanzenteilen, Algen oder kleinen Tieren. Durch das Graben lockern sie den Boden und belüften ihn. Dadurch gelangt Sauerstoff in tiefere Bodenschichten, sodass aerobe Mikroorganismen – also solche, die Sauerstoff zum Überleben und zur Zersetzung von Material brauchen – besser arbeiten können und Nährstoffe gleichmäßiger verteilt werden.
Alles, was die Krabben nicht fressen, bleibt im oder auf dem Boden zurück. Dieses restliche organische Material können Mikroorganismen gut zersetzen, wodurch Nährstoffe für Pflanzen und andere Organismen wieder verfügbar werden. So bleibt der Kreislauf von Energie und Nährstoffen stabil. Ohne diese Recyclingfunktion könnten sich organische Reste zu stark ansammeln, was zu Sauerstoffmangel, einer verstärkten Ausbreitung dominanter Mikroorganismen oder Veränderungen in der Bodenstruktur führen könnte.
Krabben wirken also wie natürliche Recycler und Bodenpfleger und tragen so dazu bei, dass das System stabil, nährstoffreich und gut belüftet bleibt.


Schafe und Ziegen
Wer Sardinien bereist, begegnet ihnen fast unweigerlich: Schafe und Ziegen, die in kleinen Herden über die Hügel ziehen oder sich im Schatten alter Olivenbäume sammeln. Tatsächlich leben auf Sardinien mehr Schafe als Menschen, und aus ihrer Milch entsteht einer der berühmtesten Käse Italiens – der Pecorino Sardo, ein würziger Botschafter der sardischen Küche, der bis heute nach traditionellen Methoden hergestellt wird. Auch Ziegenmilch und -käse gehören zur Hirtenkost, die eng mit der Natur und den Jahreszeiten verbunden ist.
Seit Jahrhunderten prägen Schafe und Ziegen nicht nur das Landschaftsbild, sondern auch die Kultur der Insel. Der Klang der Glöckchen, die an den Hälsen der Schafe und Ziegen hängen, trägt etwas Zeitloses in sich – als würde er von uralten Mythen und Liedern erzählen:
Auf den langen Wanderungen mit ihren Herden entwickelten die Hirten eine ganz eigene Welt aus Musik und Geschichten, sie schnitzten aus einfachem Schilfrohr die launeddas, ein dreifaches Blasinstrument, dessen Klang bis heute als typisch sardisch gilt, und bewahrten ein tiefes Wissen über Kräuter, Wetterzeichen und das Verhalten ihrer Tiere, das von Generation zu Generation weitergegeben wurde.
In der Mythologie stehen Ziegen für Fruchtbarkeit und ungezähmte Lebenskraft, oft als Begleiter wilder Gottheiten dargestellt, während Schafe seit der Antike als Sinnbild von Reinheit, Sanftmut und dem ewigen Kreislauf des Lebens galten. Archäologische Funde und alte Legenden deuten darauf hin, dass Schafopfer einst ein wichtiger Teil ritueller Handlungen waren.
Spinnen
Wer aufmerksam durch die Natur wandert, kann nicht nur ihre filigranen, kunstvoll gewobenen Netze bewundern, sondern auch beobachten, wie geschickt sie Beute fangen und sich durchs Gelände bewegen: Auf Sardinien sind Spinnen allgegenwärtige Bewohner von Gärten, Wäldern und Küstenregionen. Sie spielen eine wichtige Rolle im Ökosystem, denn sie halten Insektenpopulationen in Schach und sorgen so für ein natürliches Gleichgewicht.
Die verschiedenen Arten, die man entdecken kann, sind faszinierend: von winzigen Springspinnen, die blitzschnell durch das Unterholz jagen, über Trichternetzspinnen, die trichterförmige Netze bauen, bis zu den prächtigen Kreuzspinnen. Manche Spinnenarten können ihren Körper durch winzige Vibrationen im Netz „lesen“ und erkennen so genau, ob ein Beutetier oder nur ein Blatt hineingefallen ist.
Auf Sardinien lebt auch die Apulische Tarantel (Lycosa tarantula), eine Wolfsspinne, die zu den größten Spinnen Europas zählt. Sie kann bis zu 30 Millimeter Körperlänge und eine Beinspannweite bis zu 80 Millimeter erreichen und lebt in selbstgegrabenen Erdröhren, die sie mit Seidenfäden auskleidet. Besonders in den warmen Sommernächten gehen die Tiere auf die Jagd nach Insekten und anderen kleinen Beutetieren.
Wolfsspinnen, zu denen die Tarantel gehört, besitzen acht Augen in charakteristischer Anordnung. Besonders auffällig ist das mittlere Augenpaar, das sehr lichtempfindlich ist und hervorragendes Nachtsehen ermöglicht. Ihre Augen reflektieren Licht, ähnlich wie bei Katzen oder Hunden, durch eine spezielle Schicht hinter der Netzhaut, das Tapetum lucidum. Trifft im Dunkeln eine Lampe oder Mondlicht auf die Augen, können sie silbrig, rötlich oder grünlich aufleuchten. Wer also nachts mit einer Taschenlampe durch sardische Felder streift, kann mit etwas Glück die „leuchtenden Punkte“ einer Tarantel im Gras entdecken – ein faszinierender Anblick!
Die Apulische Tarantel ist keine aggressive Spinne und meidet Menschen von sich aus. Wenn man sie aber anfasst oder in die Hand nimmt, können sie auch beißen. Der Biss einer sardischen Tarantel kann zwar schmerzhaft sein – vergleichbar mit einem Bienenstich – doch er ist für gesunde Menschen ungefährlich. Allergische Reaktionen sind sehr selten.


Wildschweine
In den dichten Wäldern und gebirgigen Regionen Sardiniens sind Wildschweine (Sus scrofa meridionalis) heimische Bewohner, die meist scheu bleiben, aber dennoch das Landschaftsbild prägen. Mit ihrem kräftigen Körperbau und dem charakteristischen Rüssel sind sie perfekt an das Leben in der Natur angepasst. Oft sind sie schwarz, manchmal grau, braun oder gesprenkelt. Beeindruckend schnell, können sie steile Hänge mühelos erklimmen.
Als Allesfresser spielen Wildschweine eine wichtige Rolle im Ökosystem: Sie verbreiten Samen, lockern den Boden auf und tragen so zum Gleichgewicht im Wald bei. In der Nähe landwirtschaftlicher Flächen können sie jedoch auch zu einer kleinen Herausforderung für die Bauern werden. Besonders in den kühleren Morgenstunden oder in der Dämmerung lassen sich ihre Spuren entdecken – aufgewühlte Erdhügel, abgerissene Wurzeln oder frisch gefallene Eicheln verraten ihre Anwesenheit.
Ganz unerwartet durften wir am Ende unserer Reise selbst Wildschweine beobachten – aus nächster Nähe und mitten in Olbia! Abends auf dem Balkon unserer letzten Unterkunft wunderten wir uns, dass ein Hund draußen unaufhörlich bellte. Dann sahen wir hinunter: Direkt vor dem Haus, unter einem großen Feigenbaum im Garten, bewegte sich eine Wildschwein-Familie mit mehreren Tieren unterschiedlichen Alters, darunter kleine Frischlinge! Wir konnten sie eine ganze Weile vom Balkon aus beobachten, bevor es schließlich zu dunkel wurde, um noch etwas zu erkennen.
Zikaden
Wer im Hochsommer Sardinien besucht, begegnet ihnen überall: den Zikaden. Ihr gleichmäßiges, intensives Zirpen ist ein typisches Geräusch der Mittelmeerregion und entsteht durch spezielle Trommelorgane am Hinterleib der Männchen. Mit Lautstärken von bis zu 100 Dezibel – vergleichbar mit einem Rasenmäher – überlagert der Gesang dieser Insekten die Geräuschkulisse ganzer Landschaften.
Zikaden verbringen den größten Teil ihres Lebens unsichtbar unter der Erde, oft mehrere Jahre lang, bevor sie für wenige Wochen an die Oberfläche kommen, um sich zu paaren. In dieser Zeit sind sie tagsüber in der größten Hitze am aktivsten, wenn die Luft über Olivenhainen und Pinienwäldern flimmert und die Zeit langsamer zu fließen scheint. Der Duft von Myrte, Rosmarin und trockenem Harz mischt sich mit den unaufhörlichen Klängen ihres Gesangs, der nur für wenige Sekunden verstummt, bevor er erneut einsetzt.
Zikaden sind 2-5 cm groß, haben einen robusten Körper mit durchscheinenden Flügeln und erklingen tagsüber laut von Bäumen und Sträuchern. Am weitesten verbreitet ist die Mannasingzikade (Cicada orni), deren lautes, gleichmäßiges Zirpen von Küstenhainen bis ins Hügelland zu hören ist. Daneben kommen mehrere Arten der Gattung Tibicina vor, von denen mindestens vier auf Sardinien nachgewiesen sind – darunter Tibicina corsica corsica und Tibicina nigronervosa. Wahrscheinlich gibt es viele weitere Singzikaden-Arten auf Sardinien, deren Vorkommen bislang nicht vollständig erforscht ist.
In der mediterranen Kultur gelten Zikaden seit der Antike als Symbol für Sommer, Ausdauer und Lebensfreude. Schon in der Antike bewunderten Dichter und Philosophen ihre Unermüdlichkeit, stundenlang zu „singen“, nur für die Sonne, nur für den Moment. Auf Sardinien sind sie zudem ein kleiner Glücksbringer, zumindest in manchen Regionen, wo man sagt, eine Zikade auf der Hand bringe Glück und Erfolg.

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